Aktuell in der UR

Vorsteuerabzug in der Vorbereitungsphase einer Gesellschaftsgründung (Spatscheck/Spilker, UR 2022, 718)

In der Vorbereitungsphase einer Gesellschaftsgründung ist immer wieder das Vorsteuerabzugsrecht umstritten. Das BMF hat aktuell mit Schreiben vom 12.4.2022 das Vorsteuerabzugsrecht an bestimmte – allerdings enge – Voraussetzungen geknüpft. Dabei nimmt das BMF Bezug auf Rechtsprechung des BFH und EuGH. Es bestehen jedoch Zweifel, ob die nationale Praxis mit dem Unionsrecht vereinbar ist.


I. Kurze Einführung

II. Entwicklung in der Rechtsprechung

1. EuGH-Rechtsprechung

a) Rechtssache Faxworld (C-137/02)

b) Rechtssache Polski Trawertyn (C-280/10)

c) Rechtssache Malburg (C-204/13)

2. BFH-Urteil v. 11.11.2015 – V R 8/15

III. BMF-Schreiben v. 12.4.2022

IV. Stellungnahme

V. Zusammenfassung und Fazit


I. Kurze Einführung

Der Vorsteuerabzug für Eingangsleistungen setzt voraus, dass die Eingangsleistungen für das Unternehmen bezogen werden, d.h. die bezogenen Leistungen müssen mit steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen eines Unternehmers i.S.d. § 2 UStG zusammenhängen (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG). Grundsätzlich besteht bereits in der Vorbereitungsphase eines (Einzel-)Unternehmers ein Vorsteuerabzugsrecht, weil die unternehmerische Tätigkeit mit den ersten nach außen und auf die Ausführung entgeltlicher Leistungen gerichteten Handlungen beginnt. Vorbereitungshandlungen, wie z.B. der Wareneinkauf vor Geschäftseröffnung (Abschn. 2.6. Abs. 1 UStAE), berechtigen damit zum Vorsteuerabzug, wenn sie hinreichend konkret auf eine unternehmerische Tätigkeit gerichtet sind.

In der Vorgründungsphase einer Gesellschaft tätigen in der Regel spätere Gesellschafter oder Vorgründungsgesellschaften erste Investitionen, um die Gesellschaftsgründung und Aufnahme der unternehmerischen Tätigkeit durch die zu gründende Gesellschaft vorzubereiten (z.B. Kauf oder Anmietung von Räumlichkeiten oder Anschaffung von Anlagevermögen). Der Vorsteuerabzug für derartige Leistungen wurde jedoch in der Vergangenheit von den Finanzbehörden oftmals nicht anerkannt. Begründet wurde dies beispielsweise damit, dass entweder die Voraussetzungen des Unternehmerbegriffs gem. § 2 UStG nicht erfüllt sind, oder, dass der jeweilige (einzige) Ausgangsumsatz nicht steuerbar oder steuerbefreit ist.

Daraus folgten Rechtsstreitigkeiten zwischen den Finanzbehörden und den betroffenen Gesellschaftern bzw. Gesellschaften, die den Vorsteuerabzug geltend machen wollten. Der EuGH und nun auch der BFH haben in den letzten Jahren dieser Praxis der Verwaltung Grenzen gezogen.

Nachfolgend wird ein Überblick über die Entwicklung in der Rechtsprechung sowie die Reaktion des BMF gegeben und sodann Stellung genommen, ob die aktuelle Rechtslage in Deutschland mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

II. Entwicklung in der Rechtsprechung

1. EuGH-Rechtsprechung

a) Rechtssache Faxworld (C-137/02)


In der Entscheidung der Rs. Faxworld aus dem Jahr 2004 hatte das Finanzamt den Vorsteuerabzug der Vorgründungsgesellschaft (Faxworld GbR) mit der Begründung verneint, dass die Faxworld GbR nicht als Unternehmerin i.S.d. § 2 UStG anzusehen war, weil ihr einziger beabsichtigter Ausgangsumsatz eine (nicht steuerbare) Geschäftsveräußerung im Ganzen an die später gegründete Aktiengesellschaft war.

Die Faxworld GbR war eine Vorgründungsgesellschaft, deren Gesellschaftszweck die Vorbereitung der wirtschaftlichen Tätigkeit der Faxworld Telefonmarketing AG (AG) nach deren Gründung war. Sie sollte z.B. Büroräume anmieten, Anlagegüter erwerben sowie Werbemaßnahmen treffen. Nach Gründung der AG (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 30.09.2022 09:24
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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