Heft 4-5 / 2013

In der aktuellen Ausgabe der UR (Heft 4, Erscheinungstermin: 20. Februar 2013) lesen Sie folgende Beiträge und Entscheidungen.

Laudatio

  • Nieskens, Hans, Werner Widmann zum 65. Geburtstag, UR 2013, 125-126

Aufsätze

  • Birkenfeld, Wolfram, Rückwirkung in der Umsatzsteuer, UR 2013, 126-136
    Die Rückwirkung im Umsatzsteuerrecht ist ein weites, teilweise aber unsicheres Feld. Ob Optionen oder andere Wahlrechte nicht mehr im Verfahren der Änderung einer Steuerfestsetzung (§ 164 Abs. 2 AO) rückwirkend (erstmals oder durch Rückgängigmachung) ausgeübt werden können, ist “geklärt”, aber bisher noch nicht überzeugend begründet worden. Eine Klärung steht auch für die rückwirkende Ergänzung einer unvollständigen oder teilweise unzutreffenden Rechnung aus. Sie könnte das “Rechnungselend” (Widmann, UR 2009, 249 [250]) um den “Dauerbrenner Vorsteuerabzug und Rechnungsmängel” (Wäger, DStR 2010, 1478) verringern oder verstärken.
  • Filtzinger, Stephan, Schnellreaktionsmechanismus als Hebel zur Schubumkehr bei der Mehrwertsteuerharmonisierung, UR 2013, 136-148
    Will man mit einem Flugzeug ein Ziel erreichen, müssen die Triebwerke Schub liefern, und zwar ausreichend viel, um die Schwerkraft zu überwinden, und hinreichend lange, um den Zielflughafen zu erreichen. Die sog. Schubumkehr dient dem Bremsvorgang am Boden und darf daher erst nach der Landung eingesetzt werden. Umkehrschub während des Fluges hat dagegen kontraproduktive Wirkung: Mindestens beunruhigt es die Passagiere, im ungünstigsten Fall kann es aber auch die Manövrierfähigkeit des Flugzeugs beeinträchtigen und den Totalverlust desselben mitsamt Insassen zur Folge haben.Ministerialdirigent Werner Widmann, der mit diesem Beitrag geehrt wird, hat sich im Zuge seines bisherigen vielfältigen umsatzsteuerrechtlichen Schaffens gerade den europarechtlichen Bezügen dieser Steuer wiederholt gewidmet und dabei auch die nach Art. 395 MwStSystRL bestehende Möglichkeit, Mitgliedstaaten dazu zu ermächtigen, vom Mehrwertsteuersystem abweichende Sondermaßnahmen einzuführen, kritisch gewürdigt. Mitte des Jahres 2012 nun hat die EU-Kommission einen sog. Schnellreaktionsmechanismus vorgeschlagen, mit dem den EU-Mitgliedstaaten eine noch viel schnellere Einführung von Sondermaßnahmen zur Betrugsbekämpfung ermöglicht werden soll, als dies bisher möglich ist. Mit diesem Vorschlag setzt sich der nachfolgende Beitrag auseinander. Der Autor sieht darin einen Beleg dafür, dass der Wille der Akteure auf der Brüsseler Bühne zu weiteren Harmonisierungsschritten bei der Mehrwertsteuer zwischenzeitlich einer gegenläufigen Bewegung gewichen ist, die das dereinst avisierte Binnenmarktziel gefährdet.
  • Reiß, Wolfram, Vorsteuerabzug, Berichtigung des Vorsteuerabzugs und Besteuerung unentgeltlicher Wertabgaben, UR 2013, 148-158
    Der Beitrag geht den im geltenden Umsatzsteuerrecht des Umsatzsteuergesetzes und der Mehrwertsteuersystemrichtlinie bestehenden Interdependenzen zwischen Vorsteuerabzug und der Besteuerung unentgeltlicher Gegenstands- und Leistungsentnahmen aus dem Unternehmen nach. Es wird aufgezeigt, dass die jüngere Rechtsprechung des BFH dieses Verhältnis zutreffend dahingehend bestimmt, dass von vornherein kein Vorsteuerabzug zu gewähren ist für Leistungsbezüge, die für den persönlichen Bedarf des Unternehmers oderzur unentgeltlichen Weitergabe an das Personal oder auch an Dritte bestimmt sind. Das Belastungsziel der vollen Besteuerung des Endverbrauchs wird – entgegen der Kritik an dieser Rechtsprechung – bereits durch die Versagung des Vorsteuerabzugs erreicht, so dass eine nachfolgende Besteuerung unentgeltlicher Wertabgaben ausscheidet. Es wird gezeigt, dass der Vorsteuerabzug für zur unentgeltlichen Weitergabe bestimmte Eingangsleistungen auch dann ausgeschlossen ist, wenn die Zuwendung nicht unter die Wertabgabentatbestände fällt. Lediglich für zur Gewährung von “Aufmerksamkeiten” bestimmte Eingangsleistungen ist – richtlinienwidrig, aber zu beachten – der Vorsteuerabzug zu gewähren.Für die gemischte Verwendung von Gegenständen wird die differenzierte Behandlung gekennzeichnet, die als Folge der – in der Begründung höchst fragwürdigen – EuGH-Rechtsprechung hinsichtlich des Vorsteuerabzugs und der Wertabgabenbesteuerung zu erfolgen hat. Danach wird bei der unternehmensfremden, privatem Bedarf dienenden (Mit-) Verwendung ein freies Wahlrecht zum vollen Vorsteuerabzug gewährt, dem anschließend dann eine Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgaben folgt. Bei der Verwendung für andere nichtwirtschaftliche Tätigkeiten (u.a. Vereinstätigkeit) wird ein solches Wahlrecht zur Erlangung des vollen Vorsteuerabzugs hingegen nicht gewährt, es erfolgt aber insoweit auch keine Besteuerung einer Wertabgabe. Diese Differenzierungen sind nicht gerechtfertigt. Der an sich gebotenen einheitlichen Behandlung durch Beseitigung des freien Wahlrechts zum vollen Vorsteuerabzug auch bezüglich der unternehmensfremden Verwendung und andererseits einer Besteuerung späterer Wertabgaben aus dem Unternehmen auch für Zwecke nichtwirtschaftlicher (Vereins-) Tätigkeiten steht die EuGH-Rechtsprechung entgegen, nicht der Wortlaut und das Regelungsziel der Mehrwertsteuersystemrichtlinie. Dem Regelungsziel der gleichmäßigen Besteuerung von Konsumaufwendungen durch Verhinderung unversteuerten Endverbrauchs entspricht die Besteuerung der Wertabgaben aus dem Unternehmen zu aktuellen Beschaffungswerten und Steuersätzen besser als die bloße Korrektur eines Vorsteuerabzugs, der zutreffend gewährt wurde, weil bei Leistungsbezug gerade keine Konsumaufwendungen getätigt wurden.Der Beitrag ist dem exzellenten Kenner der Umsatzsteuer, dem connaisseur guten Weines und dem liebenswerten Menschen Werner Widmann gewidmet. Ihm möchte ich damit für viele fachliche Anregungen danken und für manches darüberhinausgehende freundliche Gespräch.
  • Stadie, Holger, Umsatzsteuer und Insolvenz, – Kritische Anmerkungen zu neueren BGH- und BFH-Entscheidungen –, UR 2013, 158-171
    Das Verhältnis von Umsatzsteuerrecht und Insolvenzrecht scheint schwierig zu sein. Zu diesem Eindruck muss man kommen, wenn man die Rechtsprechung des IX. Senats des BGH und des V. und VII. Senats des BFH betrachtet, welche versuchen, das Zusammenspiel dieser beiden Rechtsgebiete in den Griff zu bekommen. Erschrecken muss dabei vor allem die vom BGH in seiner Entscheidung vom 22.10.2009 vertretene Auffassung, dass Umsatzsteuerzahlungen an das Finanzamt wegen Gläubigerbenachteiligung anfechtbare Rechtshandlungen sein können, und die darin liegende Ignoranz gegenüber dem – auch vom vom EuGH – seit Jahren betonten Charakter der vom Unternehmer vereinnahmten Umsatzsteuer als schlichte Abführungsbeträge, welche folglich gleichsam als durchlaufende Posten das Vermögen des Insolvenzschuldners im Ergebnis nicht berühren. Das hinderte indes den VII. Senat des BFH nicht, dem BGH zuzustimmen.Der V. Senat des BFH ist dieser Ansicht zwar mit seiner Entscheidung vom 24.11.2011 vom Grundsatz her zu Recht entgegengetreten, die Begründung bedarf jedoch der Nachbesserung; auch mangelt es an der Differenzierung hinsichtlich der Art der gezahlten “Umsatzsteuer”-Beträge. Diese Entscheidung des V. Senats vom 24.11.2011 enthält darüber hinaus ein weiteres, seitenlanges obiter dictum, wonach die insolvenzrechtlichen Aufrechnungsregelungen bei der Steuerberechnung nach § 16 UStG für die Anmeldung von Umsatzsteuer als Insolvenzforderung nicht zu beachten seien. Das erschließt sich in mehrfacher Hinsicht nicht, vor allem, weil es für das Jahr der Verfahrenseröffnung insolvenzrechtlich überhaupt nicht auf eine Steuerberechnung nach den Regeln des § 16 UStG ankommt, sondern allein die Bestimmungen der Insolvenzordnung maßgebend sind.
    In der Frage, ob vereinnahmte Umsatzsteuerbeträge zu Insolvenzforderungen oder zu Masseverbindlichkeiten führen, ist der V. Senat des BFH mit seinen Entscheidungen vom 29.1.2009 und vom 9.10.2010 zwar nunmehr zu der im Ergebnis zutreffenden Erkenntnis gelangt, dass unabhängig von der umsatzsteuerrechtlichen Entstehung nach dem sog. Ist- oder Soll-Prinzip Umsatzsteuerbeträge, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vereinnahmt werden, zu Masseverbindlichkeiten führen, jedoch der in der Entscheidung vom 9.10.2010 gewählte Begründungsweg ist nicht nachvollziehbar und verlangt auch hier grundlegende Nachbesserung. Eine genauere Betrachtung der Problematik zeigt allerdings, dass sich bei vereinnahmten Umsatzsteuerbeträgen unabhängig davon, ob sie vor oder nach Verfahrenseröffnung vereinnahmt wurden, die Frage “Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit” richtigerweise gar nicht stellen kann, weil diese Beträge nicht Vermögen des Insolvenzschuldners sind, welches der Gläubigerbefriedigung dient. Sie unterliegen vielmehr der Aussonderung.
  • Tehler, Hermann-Josef, Privilegierung sich selbst versorgender Unternehmer in der Umsatzsteuer, UR 2013, 171-175
    Mit der Besteuerung unentgeltlicher Wertabgaben hat sich Widmann mehrmals anlässlich von EuGH-Urteilen beschäftigt. Bedeutsam für die Beurteilung ist der Charakter der Umsatzsteuer als Verbrauchsteuer sowie die Gleichbehandlung des sich selbst versorgenden Unternehmers mit dem Fremdversorger.

Das UmsatzsteuerForum stellt zur Diskussion

  • Nieskens, Hans, Immer Ärger mit der Bildung, – Ein Vorschlag zur geplanten, verworfenen und aufgeschobenen Anpassung des § 4 Nr. 21 UStG an das Unionsrecht –, UR 2013, 175-183
    Werner Widmann war nicht nur steuerpolitisch, sondern auch steuerlehrend aktiv. Ungezählt dürften seine Vorträge zu aktuellen Entwicklungen des Umsatzsteuerrechts in den letzten 20 Jahren gewesen sein (vgl. u.a. seinen Vortrag am 21.3.2012 auf der 51. Münchner Steuerfachtagung: Widmann, Aktuelle Praxisfragen der Umsatzsteuer, UR 2012, 417). Der Autor des nachfolgenden Beitrags unterstellt dabei – zugunsten von Werner Widmann – nicht nur dessen unternehmerische Selbständigkeit, sondern auch eine bisweilen durch ihn als Privatlehrer oder vergleichbare Einrichtung erbrachte unterrichtende Tätigkeit. Bisher waren diese Leistungen stets steuerfrei, jedenfalls, soweit er für eine Einrichtung auftrat, die auch ihrerseits wiederum steuerfrei gem. § 4 Nr. 21 UStG handelte. Der nachfolgende Beitrag versucht, eine Antwort auf die Frage zu geben, wie unter verstärkter Beachtung des Unionsrechts eine Reform des § 4 Nr. 21UStG aussehen könnte, mit anderen Worten Werner Widmann eine Entscheidungshilfe an die Hand zu geben, ob es sich auch zukünftig als Pensionär – zumindest umsatzsteuerrechtlich – lohnt, weiterhin im Unterrichtsgeschäft aktiv tätig zu sein.

Praxisforum Umsatzsteuer

  • Korf, Ralph, Elektronische Signatur als Rechnungs- oder bloßes Übermittlungselement, UR 2013, 183-188
    In der neueren Rechtsprechung des BFH gibt es Entscheidungen, aus denen man – bei aller Vorsicht – wohl folgende Tendenzen erkennen kann: Abrechnungsdokumente entfalten in Abhängigkeit von ihren Inhalten unterschiedliche Wirkungen. Es gibt heilbare und fundamentale, nicht heilbare Mängel. Die Beseitigung heilbarer Mängel führt möglicherweise zu einer rückwirkend eintretenden Vorsteuerabzugsberechtigung des Rechnungsempfängers.Der nachfolgende Beitrag untersucht, ob eine fehlende elektronische Signatur einen Mangel darstellt und, wenn ja, welcher Art dieser Mangel ist. Der Beitrag ist in Verbundenheit Werner Widmann zugeeignet, dessen “Veranlagungshandbuch zur Umsatzsteuer” in einigen Auflagen auch beim Verfassen dieses Aufsatzes sehr nützlich war.

Aktueller Hinweis

  • Engels, Dieter, Chancen zur Sicherung des Umsatzsteueraufkommens, – Vorschläge zur Umsetzung wichtiger Reformvorhaben bei der Umsatzsteuer –, UR 2013, 188-195

Rechtsprechung

  • EuGH v. 6.12.2012 - Rs. C-285/11, Unionsrechtswidrige Versagung des Rechts auf Vorsteuerabzug eines Steuerpflichtigen ohne objektiven Nachweis seiner Kenntnis oder seines Kennenmüssens von der Einbeziehung seines Eingangsumsatzes in eine auf einer vorausgegangenen oder nachfolgenden Umsatzstufe der Lieferkette begangene Mehrwertsteuerhinterziehung, UR 2013, 195-200
  • EuGH v. 25.10.2012 - Rs. C-557/11, Ermäßigter Steuersatz für die von einem Reisebüro in eigenem Namen ausgeführte Beförderungsleistung – Begriff der einheitlichen Leistung, UR 2013, 200-203

Verwaltungsentscheidungen

  • Umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Geld- oder Sachleistungen eines Sponsors an steuerbegünstigte Körperschaften, UR 2013, 203-204

Literatur

  • Zeitschriftenbeiträge, UR 2013, 204

Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 20.02.2013 11:49